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OLG Nürnberg: Vorfälligkeitsberechnung mit Negativzinsen unzulässig

OLG Nürnberg sieht in der Berechnung mit negativen Wiederanlagesätzen einen Verstoß gegen das Bereicherungsverbot

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 25.07.2023 (14 U 2764/22) die umstrittene Frage der Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen mit negativen (fiktiven) Wiederanlagesätzen im Sinne der Verbraucher entschieden. Hiernach ist es der Bank untersagt, den Schaden mit negativen Zinsen zu berechnen, da die Bank andernfalls durch die vorzeitige Rückzahlung bessergestellt würde, als im Falle einer Vertragserfüllung. Dies ist nach der Ansicht des OLG-Senats mit dem deutschen Schadensrecht unvereinbar.

Sachverhalt

Der klagende Darlehensnehmer schloss mit der beklagten Bank im April 2009 einen Immobiliendarlehensvertrag über EUR 350.000,00. Im Juni 2014 verlängerte der Kläger das Darlehen bis April 2024. Im Mai 2021 führte der Kläger das Darlehen vorzeitig zurück. Hierfür verlangte die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. EUR 33.317,74.

Verfahren erster Instanz

In der ersten Instanz verlangte der Kläger noch die Rückzahlung des vollen Betrages von EUR 33.317,74. Dies lehnte das Landgericht Nürnberg-Fürth ab. Vielmehr gab es der Klage nur insoweit statt, wie die Bank zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung Negativzinsen herangezogen hatte. Dies machte einen Betrag von EUR 2.600,93 aus.

Berufungsverfahren

Gegen diese anteilige Verurteilung richtete sich die Berufung der beklagten Bank. Sie argumentierte auch vor dem Oberlandesgericht Nürnberg, dass eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung anhand negativer Wiederanlagesätze zulässig sei.

Dem folgte das OLG nicht. Der Senat stellte im Urteil vielmehr klar, dass das deutsche Schadensrecht, das auch bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung grds. gelte, eine Besserstellung des Geschädigten verbiete. Diese ergibt sich aber, wenn die fiktive Schadensberechnung mit negativen Wiederanlagesätzen berechnet wird. Dann zahlt der Kunde in Summe mehr Zinsen, als wenn er den Vertrag erfüllt hätte. Eine solche Berechnung ist mit dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot unvereinbar, so das OLG Nürnberg.

Bewertung der Entscheidung

Die vom Oberlandesgericht Nürnberg vertreten Ansicht eines Verstoßes gegen das Bereicherungsverbot wurde von der Kundenseite bereits seit längerer Zeit vertreten, stieß in der Rechtsprechung jedoch teils auf Ablehnung. So nahm das OLG Stuttgart in einer früheren Entscheidung vom 23.02.2022 (9 U 168/21) an, dass eine Bank sehr wohl „das in den Negativbereich gesunkene Kapitalmarktzinsniveau […] zugrunde legen“ dürfe.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg setzt dieser bankenfreundlichen Rechtsprechung nun eine gewichtige Stimme entgegen, die prozessrechtlich die Tür zum Bundesgerichtshof öffnet. Denn durch die Entscheidung des OLG Nürnberg stehen sich nun Urteile zweier Oberlandesgerichte gegenläufig gegenüber, was eine Zulassung der Revision nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingend macht. Auch das OLG Nürnberg hatte aus diesem Grunde die Revision zum BGH zugelassen.

Bedeutung für betroffene Kunden

Bankkunden, die in dem Jahr 2020 eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlten, können Erstattungsansprüche aufgrund einer – nach Ansicht des OLG Nürnberg – unzulässigen Berechnung mit Negativzinsen noch bis zum Ablauf des Jahres 2023 geltend machen. Danach tritt die dreijährige Verjährung ein. Für Ansprüche aus dem Jahr 2021 gilt die Verjährungsfrist bis zum 31.12.2024 (24:00 Uhr).

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David Stader

Fachanwalt für Bankrecht & Kapitalmarktrecht

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