Mehr Infos

Rechtsprechung zum Widerruf von Autokrediten

Fachanwalt David Stader hat die vielfältige Rechtsprechung zum Widerruf von Autokrediten zusammengefasst und erklärt was geht und was nicht.

Aktuelle Rechtsprechung zum Kreditwiderruf

Update: 06.11.2019Mit dem Widerruf der Autofinanzierung suchen Verbraucher einen Weg, um die Folgen der durch die Autoindustrie veranlassten Dieselkrise zu finden. Entsprechend beschäftigt der sog. Widerrufsjoker derzeit zahlreiche Gerichte in Deutschland. Die zu diesem Thema ergangene Rechtsprechung ist entsprechend vielfältig. Fachanwalt David Stader hat die Rechtsprechung zusammengefasst und erklärt was geht und was nicht.

Wann kann ein Verbraucher den Widerruf der Autofinanzierung erklären?

Grundsätzlich kann ein Verbraucher einen Darlehensvertrag nur innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss widerrufen. Eine längere, grds. unendliche Widerrufsfrist kommt nur in Betracht, wenn die Bank unrichtig über das Widerrufsrecht informiert oder gesetzlich vorgeschriebene Pflichtangaben nicht erfüllt. In diesem Fall kommt es zu einem ewigen Widerrufsrecht, das auch "Widerrufsjoker" genannt wird.

Fehlerpotential ist vielfältig

Die Fehler, die von Banken in Verträgen begangen werden können sind vielfältig. Umso größer das Thema wird und desto mehr Verbraucheranwälte sich mit den Verträgen beschäftigen, können viele weitere potentielle Fehler hinzukommen. Gleichwohl ergibt sich aus den Entscheidungen der Landgerichte, die bisher ergangen sind, eine Vielzahl bereits gerichtlich erprobter Belehrungs- und Informationsmängeln.

Rechtsprechungsübersicht

Bis zum Jahr 2016 waren zunächst die Immobilienkredite im Fokus der Rechtsprechung. Hierzu sind tausende Urteile ergangen, die sich mit Fragen der Widerrufbarkeit von Kreditverträgen beschäftigen. Die meisten Fragen wurden zwischenzeitlich durch den BGH geklärt. 

Für Autokredite hat der Widerrufsjoker im Dezember 2017 durch ein Urteil des Landgerichts Berlin (Urt. v. 05.12.2017, 4 O 150/16) Fahrt aufgenommen. Die dort auf Rückabwicklung der Autofinanzierung klagenden Verbraucher hatten ihren Widerruf darauf gestützt, dass die Bank unrichtig über das den Kunden zustehende Kündigungsrecht und die Berechnungsmethodik einer Vorfälligkeitsentschädigung informiert habe. 

Konkret bemängelten die Verbraucher, dass den Verträgen nicht entnommen werden konnte, dass dem Kunden theoretisch ein fristloses Kündigungsrecht zusteht, wenn ein wichtiger Grund die Fortsetzung des Vertrages mit der Bank unzumutbar macht. Auch wenn solche Gründe nur äußerst selten vorliegen können, sahen die Verbraucher dieses Kündigungsrecht als Teil ihrer Kündigungsrechte an, über die nach dem Gesetz zu informieren ist. 

Das Landgericht Berlin hielt diesen Einwand für durchgreifend und gab der Klage statt. Dieser Entscheidung schlossen sich in der Folgezeit sodann zahlreiche Gerichte an, die einen Widerruf ebenfalls auf diesen Informationsfehler stützten. Jetzt hat der BGH mit zwei Urteilen vom 05.11.2019 (XI ZR 650/18, XI ZR 11/19) leider zugunsten der Autobanken entschieden, dass sich ein Widerruf mit dieser Argumentation nicht durchsetzen lässt.

Berechnungsmethodik der Vorfälligkeitsentschädigung (höchstrichterlich geklärt)

Neben der unvollständigen Angabe der Kündigungsrechte wird bemängelt, dass den Verträgen nicht entnommen werden kann, wie die Vorfälligkeitsentschädigung genau berechnet wird. In den Vertragsklauseln ist oft nur die Rede von einer Berechnung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH. Ebenso wurden nur beispielhaft die Parameter genannt, die für die Berechnung relevant sind. Auch dieser Argumentation hat der BGH mit Urteilen vom 05.11.2019 (XI ZR 650/18, XI ZR 11/19) leider eine Absage erteilt.

Keine Zinsen beim Widerruf – Angabe von 0,00 EUR Tageszinsen (höchstrichterlich geklärt)

Ein weiterer in der Rechtsprechung diskutierter Fehler ist die Angabe des Tageszinses im Widerrufsfall. Das Gesetz verpflichtet die Bank dazu, in der Widerrufsinformation genau anzugeben, welche Zinsen anfallen, wenn der Verbraucher widerruft. In vielen Verträgen enthält die Widerrufsbelehrung den standardisierten Satz, dass im Widerrufsfall der vereinbarte Sollzinssatz zu zahlen sei. Sodann teilt die Bank jedoch im Folgesatz mit, dass der im Widerrufsfall anfallende Tageszins 0,00 EUR betrage. In diesem Widerspruch erkannten einige Gerichte, darunter auch das Oberlandesgericht Düsseldorf, einen erheblichen und zum Widerruf berechtigenden Belehrungsmangel. Leider hat der BGH auch diese Rechtsauffassung mit Urteilen vom 05.11.2019 (XI ZR 650/18, XI ZR 11/19) abgelehnt.

Widersprüchliche Angaben zu den Zinsen im Widerrufsfall (Rechtslage ungeklärt)

Ein weiterer Fall mit ähnlicher Ausprägung findet sich in Verträgen der Mercedes Benz Bank. Dort wird in der Widerrufsbelehrung zwar der zutreffende Tageszins angegeben, jedoch heißt es in den AGB, das im Widerrufsfall keine Zinsen zu zahlen sind. Auch diesen Widerspruch bewerten mehrere Gerichte für den Beginn der Widerrufsfrist schädlich:

Entscheidungen zur widersprüchlichen Zinsangabe

Datum

Gericht

Aktenzeichen

Bank

13.11.18

Landgericht Berlin

4 O 20/18

Mercedes Benz Bank (Mercedes, Smart)

08.03.19

Landgericht Erfurt

9 O 480/18

Mercedes Benz Bank (Mercedes, Smart)

Anders als die Angabe in der Widerrufsinformation mit 0,00 EUR ist diese Konstellation noch nicht vom BUndesgerichtshof geklärt und ein Widerruf entsprechender Verträge ist weiter möglich.

Falscher Hinweis auf Zinszahlungspflicht bei verbundenem Vertrag (Rechtslage ungeklärt)

In der Entscheidung des Landgerichts Ravensburg vom 30.07.2019 (2 O 164/19) kommen die Richter zu dem Ergebnis, dass der Hinweis der Bank, im Widerrufsfall sei der Sollzins zu entrichten, bei verbundenen Verträgen schlicht falsch ist und der Widerruf auch aus diesem Grunde noch lange nach Vertragsschluss möglich ist. Auch hier fehlt bisher eine abschließende Klärung durch den BGH.


Belehrung über eine Kreditversicherung obwohl diese nicht beantragt wurde (Rechtslage ungeklärt)

Ein weiterer Fehler findet sich nach der Ansicht des Landgerichts Saarbrücken (Urt. v. 11.05.2018, 1 O 396/17) darin, dass die Bank über die Besonderheiten für das Widerrufsrecht bei Abschluss einer Ratenschutzversicherung belehrt, obwohl der Verbraucher in dem konkreten Fall eine solche Versicherung überhaupt nicht abgeschlossen hatte. Auch dieser Fehler ist von den Entscheidungen des BGH vom 05.11.2019 nicht betroffen, sodass die Rechtslage weiter offen ist.

Fehlende Adresse des Kreditvermittlers (Rechtslage ungeklärt)

In der gleichen Entscheidung hat das des Landgerichts Saarbrücken (Urt. v. 11.05.2018, 1 O 396/17) auch festgestellt, dass sich der Widerruf auch darauf stützen lässt, dass in dem Kreditvertrag die Adresse des Kreditvermittlers, in der Regel des Autohauses, fehlt. Auch diese Frage hat der BGH weiterhin nicht entschieden.

Widersprüchliche Angaben zum Wertersatz (Rechtslage ungeklärt)

Nach einer Entscheidung des Landgerichts Ravensburg (Urt. v. 07.05.2019, 2 O 426/18) ist ein Vertragsmuster der VW Bank deshalb unzureichend, weil es in den AGB unzutreffende Ausführungen zur Wertersatzpflicht im Widerrufsfall enthält. Eine BGH-Entscheidung fehlt bislang auch zu dieser Frage.

Pflichtangaben finden sich ganz oder teilweise nur im Standardmerkblatt (Rechtslage ungeklärt)

Das Landgericht Wiesbaden (Urt. v. 09.08.2018, 9 O 143/18) und das Landgericht Kleve (Urt. v. 27.12.2018, 4 O 46/18) sehen einen zum fortdauernden Widerrufsrecht führenden Belehrungsmangel auch darin, dass sich Pflichtangaben ganz oder teilweise nur in dem sog. Europäischen Standardisierten Merkblatt (ESM) finden, wenn dieses nicht explizit in den Vertrag integriert wird. Es handelt sich hierbei um ein Musterformular, das es Banken erleichtern soll, die Pflichtangaben zu erfüllen. Das Gesetz verlangt jedoch, dass die Pflichtangaben im Vertrag erfüllt werden müssen. Wird das ESM nicht in diesen integriert, dann fehlt eine Erfüllung der Pflichtangaben im Vertrag. Wie bei vielen anderen Punkten auch, ist auch diese Frage noch ungeklärt.

Falsche Angaben in den Auszahlungsbedingungen (Rechtslage ungerklärt)

Einen weiteren Fehler in einem Vertrag der Mercedes Bank, der auch in vielen Verträgen anderer Banken enthalten ist, hat das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 17.12.2018 (38 O 62/18) ausfindig gemacht. Nach dem Gesetz muss die Bank auch die Auszahlungsbedingungen zutreffend angeben. Wird ein Pkw finanziert, erfolgt die Auszahlung aber nicht an den Kunden, sondern an das Autohaus. Auf diesen Umstand muss der Vertrag hinweisen, wenn die Pflichtangabe zutreffend erfüllt werden soll. Nach der Ansicht des Landgerichts hat der Mercedes Vertrag diese Anforderungen nicht erfüllt. Auch diese Fallgruppe war nicht Gegenstand der Entscheidung des BGH vom 05.11.2019. Ein Widerruf ist weiter möglich.

Kreditvermittler druckt Vertrag in zu kleiner Schrift aus (Rechtslage ungeklärt)

Auch banalere Aspekte können dazu führen, dass der Vertrag noch widerrufen werden kann. In dem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart (Urt. v. 22.03.2018, 14 O 340/17) hatte der Mitarbeiter des Autohauses den für eine DIN A4 Seite vorgesehenen Vertragstext auf DIN A5 verkleinert und ausgedruckt. Die Vertragsbestimmungen waren so kaum noch lesbar. Dies erfüllt nach der Ansicht des Landgerichts das Erfordernis eines klar und verständlichen Vertrages nicht. Ob der Ausdruck in zu kleiner Schrift die Widerrufsfrist nicht beginnen lässt, ist ebenfalls noch nicht final entschieden.

Keine Angabe der Aufsichtsbehörde (Rechtslage geklärt)

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 29.05.2019 (16 U 102/18) den Widerruf eines Autokredits für möglich gehalten, da die Bank im Vertag an keiner Stelle die für die Bank zuständige Aufsichtsbehörde benannt hat. Der BGH hatte bereits am 22.10.2016 (XI ZR 434/15) entschieden, dass das Fehlen der Aufsichtsbehörde den Beginn der Widerrufsfrist aufschiebt, wenn die Bank zu dieser Angabe gesetzlich oder vertraglich verpflichtet ist.

Unwirksames Aufrechnungsverbot (Rechtslage geklärt)

In der Rechtsprechung wurde ebenfalls diskutiert, ob das in fast allen Verträgen enthaltene und vom Bundesgerichtshof als unwirksam festgestellte Aufrechnungsverbot auch die Widerrufsfrist berührt. Das Landgericht Ravensburg hatte dies mit Urteil vom 21.09.2019 (2 O 21/18) bestätigt. Hätte sich diese Rechtsprechung durchgesetzt, wären fast alle Verträge, die vor 2018 geschlossen wurden widerrufbar gewesen. Der BGH hat in einem aktuellen Beschluss jedoch entschieden, dass die unzulässige Aufrechnungsbeschränkung das Widerrufsrecht nicht berührt, da die Klausel außerhalb der Widerrufsbelehrung in den AGB zu finden ist. Auch wenn die Entscheidung nur schwer nachzuvollziehen ist, muss sie akzeptiert werden. Ein Widerrufsrecht lässt sich hierauf nicht stützen.

Rechtsfolgen des Widerrufs berechnen

Neben den Fragen der Widerrufbarkeit von Verträgen wird auch um die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs gestritten. Dabei geht es primär um die Frage ob die Bank einen Ersatz für die Nutzung des Fahrzeugs erhält und wenn ja in welcher Höhe.

Zurück

David Stader

Fachanwalt für Bankrecht & Kapitalmarktrecht

Cookie-Hinweis: Wir setzen auf unserer Webseite Cookies ein. Einige Cookies sind erforderlich, während andere uns helfen unser Online-Angebot zu verbessern. Details finden Sie hier:

Datenschutz Impressum